"Wandern auf Gustav Schwabs Wegen"
- unter diesem Titel erschienen im "Schwäbischen Tagblatt" in unregelmäßiger Folge Beiträge über Besonderheiten unserer Heimat.
Der folgende Beitrag von Dipl. Wand befasst sich mit der Belsener Kapelle.
Der folgende Beitrag von Dipl. Wand befasst sich mit der Belsener Kapelle.
Die Kapelle zu Belsen im
Köngrch. Würtemb. O.A. Rottenburg
(Königreich Württemberg, Oberamt Rottenburg) S. 1841 H. övel
handschriftlich eingefügt: Stattg. Sigmaringen Steck & Fränkel 1841 - fehlt 2. Ansicht v. der Westseite auf bes. Blatt u. Titelblatt
unten: Ansicht von der Westseite
(Quelle: Südwestpresse Schwäbisches Tagblatt vom 24. Juni 2000, S. 39 - Steinlachtal)
Köngrch. Würtemb. O.A. Rottenburg
(Königreich Württemberg, Oberamt Rottenburg) S. 1841 H. övel
handschriftlich eingefügt: Stattg. Sigmaringen Steck & Fränkel 1841 - fehlt 2. Ansicht v. der Westseite auf bes. Blatt u. Titelblatt
unten: Ansicht von der Westseite
(Quelle: Südwestpresse Schwäbisches Tagblatt vom 24. Juni 2000, S. 39 - Steinlachtal)
Eine uralte Merkwürdigkeit
Die Rätsel der Belsener Kapelle: Hieher, müden Wandrers Stab, hieher, sattes Herz, ins Grab
Wir haben ja schon seit Jahrhunderten uns angewöhnt, unter fremdem Himmel zu suchen, was bei uns selbst blühte", schrieb Wilhelm Hauff, der in Stuttgart oft im Hause des Gymnasialprofessors und Literaturmanagers Gustav Schwab weilte. Es scheint, als hätte der eifrige Wanderer Schwab sich den Satz seines Freundes zum Motto genommen, als er im Jahre 1823 in der Metzler'schen Buchhandlung seinen Wanderführer ,,Die Neckarseite der Schwäbischen Alb" veröffentlichte. In zehn Kapiteln, die ebensovielen Tagen entsprechen, beschreibt er seine Wege von den Bergen der Alb bei Balingen, wo er die Touren startete, bis in die Aalener Gegend, wo sie endeten. Der dritte Tag führt den, der Schwab folgen will, von der Burg Hohenzollern zur Belsener Kapelle, und zwar ,,einen angenehmen Weg an einem Fichtenhain und Eichwalde vorüber".
Zwei Stunden brauchte Gustav Schwab, allzeit ein rüstig Ausschreitender, für die Strecke von Hechingen, die ,,sogenannte Buzerwiesen hinab, wo bei einer Schwefelquelle ein im 30jährigen Krieg zerstörtes Bad stand", bis nach Belsen, ,,das auf offnem Feld von Obstbäumen umgeben einen Büchsenschuß vom Farrenberge liegt". Ich habe weder einen Vorder- noch einen Hinterlader dabei, um diese Angabe zu überprüfen, dafür bin ich aber mit dem Fahrrad unterwegs. Wenn man fährt, geht sowieso alles schneller. Wenn überhaupt kannte Schwab zum Zeitpunkt, als er den Albführer verfasste, nur das Laufrad des Freiherrn von Drais. Und wäre er auf diesem Gefährt plötzlich um die Feldwegecke dahergeschossen, hätte ihn die Landbevölkerung vielleicht als Gottseibeiuns mit der Sense verfolgt.
Wie auch immer man Belsen ereicht, bis heute besitzt der Ort ,,an einem uralten Kirchlein eine große Merkwürdigkeit". Die Kapelle steht wie dazumal ,,erhöht auf einer Wiese zwischen lauter Bäumen, von einem grünen Haag sauber eingezäunt, von großen weißen Quadersteinen überaus einfach, ohne alle architektonische Verzierung und so reinlich aufgebaut, als käme sie heut erst aus den Händen des Meisters".
Ein gewisser Oberst, von Hövel, der 1841 ein Broschürchen mit von ihm gezeichneten Plänen der Kirche herausgab, wusste zwar, dass ,,das Gebäude ziemlich roh in Keupersandstein aus der Gegend ausgeführt" ist, aber ,,über das Geschichtliche desselben ist diesseits nichts Zuverläßliges bekannt, dass es aber dem älteren byzantinischen Baustyle angehöre, und ursprünglich schon dem christlichen Cultus gewidmet war, scheint nicht zweifelhaft".
Jedoch meldete der Mann einen "längst gehegten Wunsch" an: "Möchten die Eigenthümlichkeiten Freunde des Althertums veranlassen, einige gründliche Worte darüber auszusprechen." Und hatte wohl keinen blassen Schimmer, was für Mythen-Gewebe damals schon um die Kirche gesponnen worden waren. Denn auch bei Schwab und ,,anderen gelehrten Männern des Vaterlandes" hatte sich diesbezüglich schon ,,das alterthümliche Interesse" geregt.
Wenn man allerdings aus Richtung Mössingen herantritt; bietet das Gebäude kaum etwas, ,,das auf ein höheres Alter schließen ließe". Aber dann, die Westfassade mit ihren merkwürdigen Figuren, gerade über dem Haupteingang! Vier Widderschädel, ein Ochsenkopf, ,,ein sich verkrattelnder Mann", ein ,,kurzer dicker Kerl" - was sie zu bedeuten haben mögen, ist bis heute nicht schlüssig nachgewiesen. Heimatforscher Karl Schauber schreibt im Kirchenkurzführer, dass die ,,vielgedeuteten Reliefs" und ,,das nur innen sichtbare Sonnenloch" dem Gotteshaus ,,landesweiten Ruf" verschafften. ,,Archäologen aller Generationen, Experten wie Laien, brachten in einer Flut an Literatur ihre Deutungen über die rätselhaften Steinbilder ein, welche nicht selten auch mit antiker Symbolik in Verbindung gebracht und vor dem Hintergrund einer gesicherten keltischen und römischen Siedlungsepoche gesehen werden."
Als Schwab damals seine Besichtigung beendet hatte und vom Kapellenberg hinunterstieg, fragte ihn ein Bauer: ,,Habt ihr den krummen Baal betrachtet?" Da horchte der Herausgeber der Volksbücher gleich auf, da er auf seiner Wanderschaft auch verschiedentlich die Erzählungen aufzeichnete, die er über örtliche Sehenswürdigkeiten hörte. Die Volkssage erklärte die Kirche, ,,die seit undenklicher Zeit zum Gottesdienst der Gemeinde eingerichtet ist, für einen heidnischen Bels- oder Baalstempel, von dem sie auch den Namen Belsen ableitet". Bei seinen Erklärungsversuchen nutzte Schwab auch die mythologischen Forschungen seines Stuttgarter Freundes Friedrich Creuzer.
Dennoch bleiben die Figuren rätselhaft, bis sie sich eines Tages selber erklären werden. Möglich wäre das. Erich von Däniken hat die Kapelle nie auf der Suche nach Beweisen für seine kosmischen Fremdbesamungstheorien ausgeleuchtet, "Akte X" und und ,,Terra-X"-Folgen haben das Kirchlein bisher links liegen lassen. Nein, außerirdische Mächte haben höchstvermutlich in keiner Vorzeit, und sei sie noch so grau gewesen, von den Belsenern Besitz ergriffen. Das behaupteten nicht einmal die Kirchheimer Gymnasiasten, die mit ihrem Lehrer vor zweieinhalb Monaten nachzuweisen suchten, dass der Bau haargenau auf den 1. April 1089 zu datieren sei. Der heilige Beda Venerabilis half dabei mit seinem Kalender sowie angeblich genaueste Berechnungen mit Mond- und Sonnenzirkelzahlen. Die ganzen anstrengenden Überlegungen und Betrachtungen können eines nicht verdecken: ,,Das ganze, kleine, in sich abgerundete Bild, über dem sich die ehrwürdigen Häupter der hohen Berge erheben, gewährt einen unendlich friedlichen Anblick." Wo gäbe es einen schöneren Platz für die Lektüre jener zwölf Seiten, die Gustav Schwab im Albführer erklärend der Kapelle widmet, als der wunderschöne Friedhof, über den er dichtete: Hieher, müden Wandrers Stab,/ Hieher, sattes Herz, ins Grab, / Von der Welt geschieden, / Hier, in Gottes Frieden!
Auch auf den Heimatdichter Karl Schauber übt der Friedhof anziehende Kraft aus. In seinem Gedicht ,,Die alte Kapelle", das der ehemalige Dorfpfarrer Georg Oberdörfer, der gleich zwei Broschüren über die Kapelle verfasste, in Töne gesetzt hat, heißt es: Oft zu dir der Weg mich führet / abends nach des Tages Tun; / graues Kirchlein lichtumflossen, / hab dich in mein Herz geschlossen, / möcht auch einmal bei dir ruhn."
Na, so geht es mir jetzt auch. Solange es schlägt, kann man sein Herz an diesen Friedhof verlieren. Aber noch tut die Pumpe ja. Also, bevor ich das Schaufeln anfange, hoch zum Farrenberg, der nächsten Station auf der Nachfolge des sel. Gustav Schwab
(Dipl. Wand.)
Quelle: Südwestpresse Schwäbisches Tagblatt vom 24. Juni 2000, S. 39 - SteinlachtalZwei Stunden brauchte Gustav Schwab, allzeit ein rüstig Ausschreitender, für die Strecke von Hechingen, die ,,sogenannte Buzerwiesen hinab, wo bei einer Schwefelquelle ein im 30jährigen Krieg zerstörtes Bad stand", bis nach Belsen, ,,das auf offnem Feld von Obstbäumen umgeben einen Büchsenschuß vom Farrenberge liegt". Ich habe weder einen Vorder- noch einen Hinterlader dabei, um diese Angabe zu überprüfen, dafür bin ich aber mit dem Fahrrad unterwegs. Wenn man fährt, geht sowieso alles schneller. Wenn überhaupt kannte Schwab zum Zeitpunkt, als er den Albführer verfasste, nur das Laufrad des Freiherrn von Drais. Und wäre er auf diesem Gefährt plötzlich um die Feldwegecke dahergeschossen, hätte ihn die Landbevölkerung vielleicht als Gottseibeiuns mit der Sense verfolgt.
Wie auch immer man Belsen ereicht, bis heute besitzt der Ort ,,an einem uralten Kirchlein eine große Merkwürdigkeit". Die Kapelle steht wie dazumal ,,erhöht auf einer Wiese zwischen lauter Bäumen, von einem grünen Haag sauber eingezäunt, von großen weißen Quadersteinen überaus einfach, ohne alle architektonische Verzierung und so reinlich aufgebaut, als käme sie heut erst aus den Händen des Meisters".
Ein gewisser Oberst, von Hövel, der 1841 ein Broschürchen mit von ihm gezeichneten Plänen der Kirche herausgab, wusste zwar, dass ,,das Gebäude ziemlich roh in Keupersandstein aus der Gegend ausgeführt" ist, aber ,,über das Geschichtliche desselben ist diesseits nichts Zuverläßliges bekannt, dass es aber dem älteren byzantinischen Baustyle angehöre, und ursprünglich schon dem christlichen Cultus gewidmet war, scheint nicht zweifelhaft".
Jedoch meldete der Mann einen "längst gehegten Wunsch" an: "Möchten die Eigenthümlichkeiten Freunde des Althertums veranlassen, einige gründliche Worte darüber auszusprechen." Und hatte wohl keinen blassen Schimmer, was für Mythen-Gewebe damals schon um die Kirche gesponnen worden waren. Denn auch bei Schwab und ,,anderen gelehrten Männern des Vaterlandes" hatte sich diesbezüglich schon ,,das alterthümliche Interesse" geregt.
Wenn man allerdings aus Richtung Mössingen herantritt; bietet das Gebäude kaum etwas, ,,das auf ein höheres Alter schließen ließe". Aber dann, die Westfassade mit ihren merkwürdigen Figuren, gerade über dem Haupteingang! Vier Widderschädel, ein Ochsenkopf, ,,ein sich verkrattelnder Mann", ein ,,kurzer dicker Kerl" - was sie zu bedeuten haben mögen, ist bis heute nicht schlüssig nachgewiesen. Heimatforscher Karl Schauber schreibt im Kirchenkurzführer, dass die ,,vielgedeuteten Reliefs" und ,,das nur innen sichtbare Sonnenloch" dem Gotteshaus ,,landesweiten Ruf" verschafften. ,,Archäologen aller Generationen, Experten wie Laien, brachten in einer Flut an Literatur ihre Deutungen über die rätselhaften Steinbilder ein, welche nicht selten auch mit antiker Symbolik in Verbindung gebracht und vor dem Hintergrund einer gesicherten keltischen und römischen Siedlungsepoche gesehen werden."
Als Schwab damals seine Besichtigung beendet hatte und vom Kapellenberg hinunterstieg, fragte ihn ein Bauer: ,,Habt ihr den krummen Baal betrachtet?" Da horchte der Herausgeber der Volksbücher gleich auf, da er auf seiner Wanderschaft auch verschiedentlich die Erzählungen aufzeichnete, die er über örtliche Sehenswürdigkeiten hörte. Die Volkssage erklärte die Kirche, ,,die seit undenklicher Zeit zum Gottesdienst der Gemeinde eingerichtet ist, für einen heidnischen Bels- oder Baalstempel, von dem sie auch den Namen Belsen ableitet". Bei seinen Erklärungsversuchen nutzte Schwab auch die mythologischen Forschungen seines Stuttgarter Freundes Friedrich Creuzer.
Dennoch bleiben die Figuren rätselhaft, bis sie sich eines Tages selber erklären werden. Möglich wäre das. Erich von Däniken hat die Kapelle nie auf der Suche nach Beweisen für seine kosmischen Fremdbesamungstheorien ausgeleuchtet, "Akte X" und und ,,Terra-X"-Folgen haben das Kirchlein bisher links liegen lassen. Nein, außerirdische Mächte haben höchstvermutlich in keiner Vorzeit, und sei sie noch so grau gewesen, von den Belsenern Besitz ergriffen. Das behaupteten nicht einmal die Kirchheimer Gymnasiasten, die mit ihrem Lehrer vor zweieinhalb Monaten nachzuweisen suchten, dass der Bau haargenau auf den 1. April 1089 zu datieren sei. Der heilige Beda Venerabilis half dabei mit seinem Kalender sowie angeblich genaueste Berechnungen mit Mond- und Sonnenzirkelzahlen. Die ganzen anstrengenden Überlegungen und Betrachtungen können eines nicht verdecken: ,,Das ganze, kleine, in sich abgerundete Bild, über dem sich die ehrwürdigen Häupter der hohen Berge erheben, gewährt einen unendlich friedlichen Anblick." Wo gäbe es einen schöneren Platz für die Lektüre jener zwölf Seiten, die Gustav Schwab im Albführer erklärend der Kapelle widmet, als der wunderschöne Friedhof, über den er dichtete: Hieher, müden Wandrers Stab,/ Hieher, sattes Herz, ins Grab, / Von der Welt geschieden, / Hier, in Gottes Frieden!
Auch auf den Heimatdichter Karl Schauber übt der Friedhof anziehende Kraft aus. In seinem Gedicht ,,Die alte Kapelle", das der ehemalige Dorfpfarrer Georg Oberdörfer, der gleich zwei Broschüren über die Kapelle verfasste, in Töne gesetzt hat, heißt es: Oft zu dir der Weg mich führet / abends nach des Tages Tun; / graues Kirchlein lichtumflossen, / hab dich in mein Herz geschlossen, / möcht auch einmal bei dir ruhn."
Na, so geht es mir jetzt auch. Solange es schlägt, kann man sein Herz an diesen Friedhof verlieren. Aber noch tut die Pumpe ja. Also, bevor ich das Schaufeln anfange, hoch zum Farrenberg, der nächsten Station auf der Nachfolge des sel. Gustav Schwab
(Dipl. Wand.)